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Christopher Friess

How to Become a Cynic

4 Mai -  15 Juni 2024


Bissige Philosophen, anthropomorphe Hunde und Domestizierunghandlungen – in der Ausstellung bei nouveaux deuxdeux  behandelt  Christopher Friess  die antike Philosophie des Kynismus und darüber hinaus das ‚Hundsein‘ als Sinnbild und Lebensrealität. Im Rahmen der Ausstellung „How to Become a Cynic“ werden Tafelbilder präsentiert, die Fragestellungen rund um Diogenes und den kynischen Philosophenkreis geschickt mit der Freskotechnik verweben. Damit soll eine Reflexion über die menschliche Existenz und unserem Domestizierungsdrang angestoßen werden.

Der Künstler wählt bewusst die historische Freskomalerei für seine Kunstwerke, denn sie besticht durch die Tiefe der reinen Pigmente und ist als Wandmalerei eng mit dem Ort und den natürlichen Lichtverhältnissen verbunden. Friess geht jedoch einen Schritt weiter und löst die Wandmalerei aus ihrem ortsgebundenen Umfeld, indem er seine Fresken auf mineralischen Platten umsetzt, wodurch sie zu Tafelbildern werden. Bei der Freskomalerei werden Pigmente auf frischen Kalkputz aufgetragen und die Farbe geht durch eine chemische Reaktion während der Trocknung des Putzes eine dauerhafte Verbindung mit dem Bildträger ein. Diese Arbeitsweise erfordert eine präzise Vorbereitung des Untergrunds und eine kontemplative Auseinandersetzung mit dem Material. Für Friess nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine konzeptuelle Entscheidung.
Die Fresken in der Ausstellung „How to Become a Cynic“ verkörpern philosophische Reflexionen über die menschliche Existenz. Der Hund dient ihm dabei als Sinnbild, welches die Kyniker repräsentiert, eine Gruppe antiker Philosoph:innen, die für ihre skeptische Haltung gegenüber gesellschaftlichen Konventionen und ihre einfache Lebensweise bekannt waren und demnach auch zeitlebens als ‚Hunde‘ bezeichnet wurden. Die Kyniker lebten im öffentlichen Raum und betonten, dass wahres Glück nicht auf äußeren Umständen wie materiellem Reichtum, Luxus oder Macht beruht, sondern durch die Unabhängigkeit von solch vergänglichen Dingen erreicht wird. In diesem Kontext sollen Krates und Hipparchia als Beispiel genannt werden, die von jeglicher Scham befreit waren und den Geschlechtsakt in den belebten Säulenhallen Athens vollzogen. In „The Dog Marriage“ werden die Disneyfiguren „Lady and the Tramp“ (Susi und Strolch) beim Sex gezeigt, was die Ernsthaftigkeit des unkonventionellen Happenings durch die Darstellung von Tieren verniedlicht und gleichzeitig einer Erotisierung entgegenwirkt.
Der kynische Hund ist frei, egal ob als sein eigener Meister, oder als ‚Herrscher von Herren‘, denn durch seine Erhabenheit schafft er es, sich selbst seinem Besitzer überzuordnen. Dieses Verhältnis wird auch im dreiteiligen Fresko „Master and Servant“  behandelt: Wer führt hier eigentlich wen an der Leine? Es zeigt dreimal dieselbe Szene, welche sich durch die Fragmentierung von Tafel zu Tafel differenziert, die an manchen Stellen dichter, an anderen gestreuter ist, sich jedoch als Ganzes zu einem fortlaufenden Fries formiert.
Der Vergleich zwischen Mensch und Tier spielt in „How to Become a Cynic“ eine wesentliche Rolle. Über Metaphern hinaus werden Hund und Hündin jedoch auch abseits der Projektion menschlicher Wünsche und Absichten betrachtet.
Denn gerade in ihrem Dasein als tatsächliche Lebewesen liegt die Schönheit von Hunden, wie Donna Haraway es in „The Companion Species Manifesto“ (Chicago, 2003)  formuliert.
Im sechsteiligen Fresko „Charlie and Pip“ versteht der durch die Folgen von Bio-Macht beeinträchtigte Charlie, Pips Aufforderung zum Deckakt nicht, denn er wurde vor seiner Geschlechtsreife kastriert und teilt somit sein Schicksal mit zahllosen weiteren Tieren. Es geht hier weniger darum, die Unterschiede zwischen den beiden Spezies durch Metaphern zu überbrücken, sondern darum, mit empathischen Blick die Hunde als Hunde zu betrachten und unsere Beziehung zur Natur und den ‚Naturecultures‘ zu hinterfragen, denen wir sowohl mitformend als auch unterliegend sind. Hier schließt sich auch der Kreis zur kynischen Philosophie wieder, wenn Diogenes bemerkt:

„So schauten auch die Mathematiker nach Sonne und Mond, aber was ihnen vor den Füßen läge, das übersähen sie,...“

Wie der Blick auf das „Firmament” uns über die eigene Position im Unklaren lässt, so ist auch eine Weissagung nicht immer einfach zu deuten. „War on Currency“ erzählt von Diogenes’ Besuch im Orakel von Delphi. Stilistisch orientiert sich das Bild an minoischer Freskenkunst und deren Rekonstruktionen. Ähnlich wie „Master and Servant“ zeichnet es sich durch erhabene Freskopartien aus, welche nachträglich mit tieferliegenden Rekonstruktionen in Kasein ergänzt wurden. Die Finger der weiblichen Figur etwa, welche laut den Freskofragmenten ihre Brustwarze halten könnten, umfassen in der Rekonstruktion eine Münze. Diogenes hat seine Hände zu einer Schale geformt, die er der Pythia (weissagende Priesterin im Orakel) hinhält, sozusagen als Behältnis zum Entgegennehmen von Erkenntnis oder mit der Bitte um eine Gabe. Ob die Pythia den jungen Diogenes nun mit Verweis auf die Münze zum Geldfälschen anstiftet, oder ihn auf seine menschliche Natur hinweist, ist also offen.

Christopher Friess' Werke inspirieren dazu, die Grenzen von Gesellschaft, Moral und individuellem Glück zu durchbrechen. Sie eröffnen einen Raum für einen Perspektivenwechsel und ermutigen zu einer Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen des menschlichen Daseins. Es entsteht eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die einen anregenden Dialog über die zeitlose Relevanz der kynischen Philosophie anregt.

    - Text von Laura Bernarde Grayer

                                                                                                                                                   
Christopher Friess, geboren 1998 in Kufstein, Österreich,  lebt und arbeitet in Wien und Tirol. Seine künstlerische Praxis ist vielschichtig und transdisziplinär. Sie zeichnet sich durch eine  Auseinandersetzung mit Themen wie Identität, Freiheit und sozialen Strukturen aus. Er studiert an der Universität für angewandte Kunst Wien. Einzel- und Gruppenausstellungen in Wien, Genf, Maribor und St. Petersburg. 

                                                                                                                                                          



















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